Sprache Literatur Musik Glaube |
Buchbesprechung
|
Rudolf
Kassühlke:
Eine Bibel – viele Übersetzungen Ein Überblick mit Hilfen zur Beurteilung Wuppertal (R. Brockhaus) 1998 159 Seiten. ISBN 3-417-20560-3. EUR 7,90 |
Wer sich im englischen Sprachraum eine Bibel kaufen will, kann sich zuvor in zahlreichen Handbüchern mit Titeln wie All about Bibles, How to Choose a Bible oder The Complete Guide to Bible Versions über das Angebot informieren. Auf dem deutschen Büchermarkt fehlte ein solcher Ratgeber lange Zeit: Kurt Webers Bibelübersetzungen unter der Lupe (Schulte + Gerth 1984) ist seit Jahren vergriffen, Hellmut Haugs Deutsche Bibelübersetzungen (Deutsche Bibelgesellschaft 1993, Neuausgabe 2002) bietet nur knappe, stichwortartige Charakterisierungen ohne Textbeispiele. Entsprechend hoch sind die Erwartungen, mit denen man das vorliegende Buch zur Hand nimmt.
Der Verfasser, Baptistenpastor, ehemaliger Missionar und Bibelschullehrer, ist durch zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und durch die Mitarbeit an der Gute Nachricht Bibel als Experte auf dem Gebiet der Bibelübersetzung ausgewiesen. Er gibt zunächst einen allgemeinen Überblick über Grundtextausgaben, Übersetzungsmethoden und Übersetzungstypen (mit deutlichem Schwerpunkt auf dem Konzept der kommunikativen Gleichwertigkeit), bevor er im Hauptteil des Buches 20 deutsche Bibeln bzw. Neue Testamente und 9 Studienbibeln einzeln vorstellt. Leider ist die Auswahl nicht ganz vollständig; es fehlen u.a. das Alte Testament von Naftali Herz Tur-Sinai, die Neuen Testamente von Ulrich Wilckens und Fridolin Stier, das Münchener NT und die Fotobibel. Dagegen ist die Neuausgabe der Übersetzung von Jörg Zink bereits berücksichtigt, obwohl sie zum Zeitpunkt der Arbeit an diesem Buch noch gar nicht erschienen war. In der Charakterisierung und Bewertung der einzelnen Ausgaben lehnt sich Kassühlke (zum Teil bis in die Formulierungen hinein) an die Broschüre seines Kollegen Hellmut Haug an und darin liegt die entscheidende Schwäche des Buches. Wer nämlich eine eingehende Analyse und Beurteilung der hierzulande erhältlichen Bibelübersetzungen erwartet hatte, wird enttäuscht: Die meisten Portraits sind nicht einmal zwei Seiten lang (am ausführlichsten wird wie sollte es anders sein die Gute Nachricht behandelt); oft beschränkt sich der Autor darauf, Haugs Stichworte in vollständige Sätze umzuwandeln. Was man besonders vermisst, ist eine theologische Wertung: Inwieweit sich bibelkritische oder unbiblische Auffassungen in die Übersetzungen eingeschlichen haben, erfährt der Leser nicht. Insofern ist das Buch tatsächlich nur ein Überblick mit Hilfen zur Beurteilung, wie es im Untertitel und im Vorwort heißt; das Urteil muss sich der Leser selbst bilden. Dazu werden ihm (neben den Bemerkungen Kassühlkes) aus jeder Übersetzung mehrere Textbeispiele geboten, die insgesamt etwa die Hälfte des Buches ausmachen. Diese Textbeispiele sind letztlich auch der einzige wesentliche Vorzug dieses Buches gegenüber der Broschüre von Haug; wer auf die Beispiele verzichten kann, ist mit Haugs Arbeit, die auf 39 Seiten 32 Übersetzungen behandelt und nur 1 Euro kostet, besser bedient. Auf das Standardwerk zum Thema deutsche Bibelübersetzungen wird man jedenfalls noch weiter warten müssen.
Michael Schneider
[zuerst in: Mailingliste Tychikus, 26. April 1999; leicht überarbeitet]